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Tatort Nennig: Der Inschriftenfälscher

Zeitgenössische Nachschlagewerke schreiben dazu:  

Meyers Großes Konversations-Lexikon (6. Auflage 1905–1909): 

»Nennig, Dorf im preuß. Regbez. Trier, Kreis Saarburg, an der Mosel und der Staatsbahnlinie Perl-Koblenz, hat eine kath. Kirche, einen Kalksteinbruch und (1900) 741 Einw. und ist bekannt durch die 1853 daselbst ausgegrabenen Überreste einer römischen Villa mit prachtvollem, 15,7 m langem, 10,4 m breitem Mosaikfußboden aus der Zeit Trajans oder Hadrians (vgl. Wilmowsky, Die römische Villa zu N., Mosaik und Inschrift, Bonn 1865 u. 1868). Die bei späteren Nachgrabungen 1866 aufgefundenen Inschriften und Malereien wurden als Fälschungen erkannt (vgl. E. aus'm Weerth in den »Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland«, Heft 49, 1870).«        

     

Kleines Konversations-Lexikon (Fünfte Auflage von 1911):

»Nennig, Dorf im preuß. Reg.-Bez. Trier, an der Mosel, (1900) 741 E., bekannt durch eine 1853 ausgegrabene röm. Villa; die 1866 gefundenen Inschriften sind gefälscht.«

     

Der Fall

Mit dem Rundschreiben von Februar 1808 an alle seine korrespondierenden Mitglieder setzte sich die »Gesellschaft für Nützliche Forschung Trier« leidenschaftlich für die Erhaltung der römischen Denkmäler ein. Die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier (GfNF) ist ein auch heute noch existierender eingetragener Verein und wurde am 1. April 1801 unter dem Namen »Société des récherches utiles du département de la Sarre« (Gesellschaft für nützliche Forschungen im Saardepartement) gegründet. Der Verein gehört zu den ältesten wissenschaftlichen Vereinigungen Deutschlands.  

Rudolf Pörtner bezeichnet in seinem Bestseller »Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit« diesen Zeitpunkt als die Geburtsstunde der deutschen Altertumsforschung. Die Gesellschaft der »Nützlichen« hat sich seither in unserer Heimat auch darüber hinaus auf dem Gebiet der Archäologie große Verdienste erworben. 

Wie die Arbeit und das Streben im menschlichen Leben mit Erfolgen und Misserfolgen begleitet sind, so bleibt auch ein wissenschaftlicher Verein im Laufe seiner Geschichte von Fehlschlägen nicht verschont.  

Einen Reinfall erleben die »Nützlichen« dadurch, dass sie in Nennig Opfer eines üblen Fälschers geworden sind.

Selbst der erfolgreiche Forscher und Domkapitular Johann Nikolaus von Wilmowsky (1801–1880), der mehrere Jahre auch Vorsitzender der Gesellschaft war, schenkte dem Fälscher Glauben, was später seinem hohen Ansehen als Fachmann in der Öffentlichkeit geschadet hat.  

Es ist eigentlich betrüblich, schrieb Professor Krüger, dass sich diese Geschichte an ein Stück Altertum anheftet, das hier im Trierer Gebiet vorgefunden wurde und zu den schönsten Funden auf deutschem Boden zählt. Es ist der Mosaikfußboden von Nennig. 

         

Wie kam es zu der Fälschung?

Im Jahr 1852 stieß der Tagelöhner Peter Reuter, Besitzer eines schmalen Feldes in der Flur »Langengarten« in Nennig, bei Ackerarbeiten einen antiken Mosaikfußboden.

Als die »Gesellschaft für Nützliche Forschung« von der Entdeckung Kunde erhielt, bereitete sie die Freilegung der Anlage vor; der Staat stellte damals im Jahre 1866 Mittel für die Ausgrabung der Villa zur Verfügung. Die Leitung wurde dem verdienstvollen Domkapitular J.  N. von Wilmowsky aus Trier übertragen. Mit der örtlichen Ausgrabung wurde der 29 Jahre alte Trierer Bildhauer Schäffer beauftragt. Er hatte einige Jahre in Rom verbracht und sogar in Pompeji gearbeitet. 

In den ersten Oktobertagen des Jahres 1866 legten die mit der Ausgrabung der Ruine der Villa beschäftigten Arbeiter einen Rundbau frei, auf dessen antiken Verputz vier Inschriften in schwarzen Buchstaben zu lesen waren.

Über diese große Entdeckung wurde von Wilmowsky vom örtlichen Ausgrabungsleiter in einem Brief verständigt. 

Herr von Wilmowsky reiste sofort von Trier nach Nennig und war innerhalb von vierzehn Tagen nicht weniger als dreimal an der Ausgrabungsstelle, um sich von der Echtheit der Inschriften zu überzeugen.  

Nach endgültiger Freilegung und Reinigung der Schrifttafeln war die aufsehenerregende Mitteilung zu lesen, dass Kaiser M. Ulpius Trajanus die Villa erbaut und dem Präfekten der Treverer, Secundinus Securus, zum Geschenk gemacht habe.  

Weiterhin, dass unter Kaiser Trajan das Amphitheater in Trier von Secundinus Saccius Modestus gegründet und erbaut worden ist. (Trajan war römischer Kaiser von 98 – 117).  

Die Sensation in der Trierer Archäologie war perfekt. Nennig, Igel und Trier, Trajan und die Secundiener in einem Atemzug – das war, schreibt Pförtner, man muss es zugeben, eine Sensation… welche die Trierer »Nützlichen« in eine Art Rauschzustand versetzte.  

Gleich zu Beginn der Entdeckung hatten weitere Experten genaue Untersuchungen an den Inschriften vorgenommen, die allerdings zu dem niederschmetternden Ergebnis kamen, dass es sich hierbei um eine Fälschung handelte.  

Als einer der größten Widersacher meldete sich Professor Carl Ernst aus’m Weerth (* 1829 in Bonn,  † 1909) zu Wort, welcher Mitglied des »Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland« war. Darauf hin schossen die Trierer scharf zurück. Es entwickelte sich ein unnützer wissenschaftlicher Streit zwischen von Wilmowsky und Professor aus’m Weerth.  

Von Wilmowsky glaubte an die Echtheit der Inschriften, schrieb als Beweis seitenlange wissenschaftliche Abhandlungen und zog geschichtliche Parallelen dazu.  

Professor C. E. aus’m Weerth bezeichnete dagegen die erläuternde Beschreibung des Leiters der Ausgrabung »als unzuverlässig, seine Zeichnungen als ungenau, die chemische Untersuchung des Stucks als eine die Fälschung aufweisende, die Benennung der Inschriften als private und unzulässig, die amtlichen Protokolle als unvollständig und die wiederholten Aussagen der Zeugen als noch immer der vollen Wahrheit nicht entsprechend, usw.«  

Gegen die Echtheit der Inschriften sprach weiterhin Brambach, Mommsen, Curtius, Hübner, Ritschl und de Rossi aus. Dafür traten neben von Wilmowsky, Leonardy, Hausenmüller und Janssen ein.  

In einer Verhandlung sollten die Umstände geklärt werden unter denen die Inschriften ausgegraben und aufgefunden worden sind. 

Sie fand unter einem großen Zeugenaufgebot am 20., 21. und 22. November 1866 in der Schule in Nennig statt. Es war der bedeutendste Fälscherskandal in den Analen der römischen Archäologie in Deutschland.  

Als erster wurde Friedrich Heinrich Schäffer, Bildhauer, wohnhaft in Trier, seinerzeit in Nennig von der Königlichen Regierung mit der Leitung der Ausgrabung beauftragt, vernommen. Schäffer bestätigte nochmals die ordnungsgemäße Ausgrabung der profilierten Tafeln, und erklärte, er wäre auch bereit, seine Aussage eidlich zu erhärten.  

Weiterhin wurden vernommen: Peter Reuter, 42 Jahre alt, Taglöhner, Matthias Eiles, 60 Jahre alt, Tagelöhner, Carl Niesen, Lorenzer, Kettenhofen und viele andere. Die Aussagen der Arbeiter waren sehr widerspruchsvoll. Einig sagten zu Gunsten von Schäffer, andere wieder gegen ihn aus.  

Weitere aufklärende Hinweise ergaben sich aus den Vernehmungsprotokollen nicht. Selbst die damalige Presse griff die Angelegenheit auf und sparte nicht an Kritik. So schrieb am 7. März 1866 die Trierische Volkszeitung in einem langen Artikel unter anderem:  

»Ein Mann wie Herr von Wilmowsky, welcher die besten Kräfte seines Lebens daran gesetzt hat, das antike Trier in technischer Beziehung zu durchforsten, hat es wahrlich nicht nötig, sich von Berlin und Freiburg darüber belehren zu lassen, ob die Wandmalereien antik und römisch seien oder nicht – mag der Inhalt derselben sein wie er wolle. Man möge nun von Berlin den Nachweis liefern, dass es doch möglich sei, in der zu Nennig gegebenen Zeit Malereien auf antikem Stuck anzubringen in antiker Manier und zwar so, dass man einem ›Techniker vom Fach‹« vermuten konnte‹.

Herr Professor Hoffmann möge die Säuren nennen, welche das Rot in Schwarz verwandeln usw. und Herr Professor Mommsen den Mann nennen, der mit Pinsel und Meißel geschickter umzugehen weiß, als mit dem Drell, und Professor Düntzer den bereits aufs Korn genommenen Fälscher. Alle diese epigraphischen Gespenster werden vor dem hellen Tageslicht der Wahrheit verschwinden und es wird sich wieder der alte Satz bewähren: Allzu scharf macht schartig.«  

Mittlerweile nahm sich der Dorfklatsch der Angelegenheit an. Die Nenniger erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass bei den Ausgrabungen etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.  

Laut wagten die Bürger es nicht auszusprechen, weil sie Angst hatten vor dem Phänomen Schäffer. Er verstand es die damalige Dorfbevölkerung einzuschüchtern. Er gab zu verstehen, dass er nicht nur Archäologe sei, sondern in Nennig auch einen »geheimen politischen Auftrag« zu erfüllen habe. 

An seinen Händen trug er diverse Diamantringe und er war außerdem noch mit anderen Schmuckstücken ausgestattet. Dies hinterließ bei der seinerzeit armen Dorfbevölkerung ohnehin schon einen großen Eindruck.  

Wer wagte es schon, gegen einen Mann vorzugehen, der das Vertrauen der Trierer Obrigkeit besaß und zudem noch angab, gute Beziehungen zu Staatsoberhäuptern zu pflegen?  

Schließlich brachte Schäffer es sogar fertig, durch eine hinterhältige Denunziation den damaligen Nenniger Bürgermeister abzusetzen.  

Der Stein der Wahrheit kam ins Rollen, als Schäffer den Arbeitern Lorenzer und Kettenhofen keinen höheren Lohn zubilligte und ihnen untersagte, von den Besuchern Trinkgelder abzuverlangen. Dies führte schließlich zur Entlassung beider Arbeiter.  

Angesichts dieser Umstände schrieb Kettenhofen am 23. Juli 1867 einen umfangreichen Brief an den Präsidenten der ›Gesellschaft für nützliche Forschungen im Saardepartement‹, in dem er zu verstehen gab, dass Schäffer in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag mit einer Laterne an der Ausgrabungsstätte war.  


Am Sonntagmorgen soll dann die erste Inschrift mit Jubel begrüßt worden sein. Auch sollen nachts im Hause Toussaint, wo Schäffer in Kost war, von den anwesenden Gästen Meißelschläge wahrgenommen worden sein. 

Tagelöhner Niesen gab zu verstehen, dass die Stelle an der die Tafel lag, vorher schon aufgegraben worden sei und die Erde lose darauf gelegen habe.  

Der Brief von Kettenhofen und die Aussage Niesens wurden zunächst nicht erst genommen, weil man glaubte es sei ein böswilliger Racheakt der beiden Arbeiter an Schäffer wegen der vorzeitigen Entlassung.  

Zum letzten und entscheidenden Schlag holte dann Professor aus’m Weerth aus, als er nachweisen konnte, dass die beiden Briefe, die Schäffer nach Trier schickte um von Wilmowsky über den Fund zu verständigen, dem Poststempel vom 29. September 1866 trugen, die Inschrift aber erst einen Tag später am 30. September 1866, einem Sonntagmorgen entdeckt worden sind!                                    

 

Ausgrabungsleiter Schäffler wurde somit endgültig als Fälscher entlarvt.

Die ausgegrabenen Inschriften waren nicht antik, sondern waren, wie sich später herausstellte, tatsächlich von Schäffer angefertigt und nachts vergraben worden. Allerdings konnte er die nächtliche Arbeit nicht allein bewältigen, sondern er musste Helfershelfer gehabt haben, die vermutlich unter seinen Arbeitern zu suchen waren. 

Domkapitular von  Wilmowsky hat bis an sein Ende an dem Glauben festgehalten, die Inschriften seien ordnungsgemäß durch Ausgrabungen gefunden worden und mussten deshalb echt sein.  

»Wir aber wollen das Andenken an das verdienstvolle Wirken von Wilmowsky für unsere römische Villa in Nennig dadurch nicht trüben lassen.«  

Erst einige Jahre später gab Schäffler in einem Brief aus dem sicheren Ausland seine Betrügereien offen zu.