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Die Wagen der Kelten

keltischer Wagen, um 700 v. Chr.

Leider werden, wann immer es sich um Straßen, Wagen und Schiffe nebst den Belademöglichkeiten (z.B. Kräne) handelt, die Römer als wegweisend oder gar genial bezeichnet. 

Dies jedoch falsch. Schon lange bevor die Römer z.B. Streitwagen bauten, hatten die Kelten diese bereits als »veraltet« abgeschafft.

Fakt ist, dass die Römer nicht nur auf den Grundmauern der Kelten bauten, sondern auch deren Infrastruktur nebst den Befördungsmitteln übernahmen.

Zunächst wurden schwere, von Ochsen gezogene Wagen mit Scheibenrädern verwendet. Später gelangten in der älteren Bronzezeit Pferdewagen mit Speichenrädern nach Mitteleuropa (etwa 17.-16. Jhdt. v. Chr.). Vermutlich wurden diese aus dem ägäischen Kulturkreis übernommen.

Im Nahen Osten, auf der südrussischen Steppe und um die Ägäis, hatten von Pferden gezogene zweirädrigen Wagen eine große Bedeutung. Beispielsweise waren Streitwagen im Krieg im Einsatz. Aus  Mittel- und Nordeuropa ist überliefert, dass sich dieser technische Fortschritt hier noch nicht durchgesetzt hat.  

Es fehlten wohl die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den massiven Einsatz von Streitwagen. Deswegen sind Streitwagen erst viel später, bei den Kelten der Frühlatènezeit, sicher nachgewiesen.

In Mitteleuropa kann man einen eigenen kulturgeschichtlichen Weg verfolgen. In dessen Mittelpunkt steht der vierrädrige Zeremonialwagen für Bestattungen in der Urnenfelder- und Hallstattzeit.

Außer den reich mit Bronzebeschlägen versehenen vierrädrigen Wagen enthielten die Gräber Waffen und kostbares Trinkgeschirr in Form von Gefäßsätzen aus Bronze und Ton als Grabbeigaben. Dabei wurde die gesellschaftliche Stellung des Verstorbenen durch die Beigabe von Wagen, Waffen und Trinkgeschirr ausgedrückt.

keltischer Kesselwagen, um 1.000 v. Chr., Mainfränkisches Museum Würzburg

Gleichzeitig mit den Wagengräbern tritt mit dem Anfang der Urnenfelderzeit in Mitteleuropa auch ein weiteres Wagenmodell in Erscheinung: Die vierrädrigen Wagen tragen ein Gefäß aus Bronze und werden als »Kesselwagen« bezeichnet.

Die Form der Kesselwagen und die Tatsache, dass sie ähnlich wie die großen Wagen in reichen Waffengräbern nachgewiesen wurden, lässt an eine zeremonielle bzw. kultische Funktion denken. 

Die Wasservögel, die oft große wie kleine Wagen schmückten, können diese Interpretation unterstützen (siehe Bild weiter unten links). Wasservögel waren bekannt als klassische Heilssymbole der Urnenfelderkultur.

Aus der späten Urnenfelderzeit wurden auch in anderen Gebieten zahlreiche Wagen bzw. Wagenteile entdeckt Unter anderem sind die berühmten Bronzeräder des »Coulon-Typs« zu erwähnen. Diese stellten den Höhepunkt der bronzezeitlichen Gusstechnik dar. Benant wurden diese Räder nach dem westfranzösischen Fundort Coulon im Département Deux-Sèvres. Bisher (Stand 2004) gibt es neun Vergleichsfunde von Bronzerädern der Coulon-Gruppe, die sich in einem Streifen von der Mündung der Elbe bis zum Golfe du Lion fanden.  

Räder eines Kultwagens, Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit um 700 v. Chr, Foto: Wilhelmy, CC BY-SA 3.0

Die Fundorte liegen in den Tälern von Rhône, Loire und Saône sowie am Fuß der Pyrenäen, wobei die Hansestadt Stade in Niedersachsen am weitesten im Norden liegt. Fundorte sind unter anderem Nîmes, La Côte-Saint-André, Cortaillod, Langres im Département Haute-Marne der Region Grand Est und in Deutschland Haßloch in Rheinland-Pfalz. Die Räder stellen die größte Leistung des Bronzegießens in der Urnenfelderzeit bzw. der frühen Eisenzeit dar.

Die Wagenbeschläge dagegen weisen auf Einflüsse aus Mittelitalien hin: Das gilt insbesondere für die eisernen Radreifen, die vor der älteren Hallstattzeit nördlich der Alpen gänzlich unbekannt waren. Weitere Einzelheiten wie die Gestaltung mancher Radnaben oder die Konstruktion des Wagenkastens mit sogenannten »Winkeltüllen« wurden ebenfalls von mittelitalischen Vorbildern übernommen.

Gegenüber dem urnenfelderzeitlichen Bestattungsritus, bei dem der Wagen oft zusammen mit der Leiche verbrannt wurde, bietet der unverbrannte Zustand des Wagens in den Gräbern der Hallstattzeit weit bessere Möglichkeiten für dessen Rekonstruktion. Obwohl organische Reste nur höchst selten erhalten blieben, erlauben die metallenen Beschläge mit ihren Holzabdrücken wichtige Erkenntnisse.

Die Räder wurden mit Beschlägen für Radnaben, Speichen und Felgen versehen, die mitunter noch eine zuverlässige Rekonstruktion gestatten. Es handelte sich durchweg um Speichenräder, fast immer mit sechs, acht oder zwölf Speichen.

hallstadtzeitlicher Wagen

Die Felgen wurden aus einem einzigen, zu einem Kreis zusammengebogenen Felgenholz, hergestellt. Mitunter wurde ein zusätzlicher Felgenkranz aus Segmenten angebracht. Die Radnaben hatten unterschiedliche Formen. Die Gestaltung der Radnabenbeschläge änderte sich während der Hallstattzeit verhältnismäßig schnell, sodass ihre Entwicklung recht genau verfolgt werden kann.

Die konische Gestaltung der Radnaben und die Radreifen mit großen rechteckigen Nagelköpfen sind für die darauffolgende jüngere Hallstattzeit (HaD 1) charakteristisch. Die zylindrischen Radnaben, die gerippten Speichenhülsen und die breiten flachen Radreifen des Wagens sind für die Spätzeit (HaD 2/3) beispielhaft.

In manchen Fällen sind noch weitere Teile des Wagens mit Metall beschlagen. Einige ganz hervorragende Exemplare wurden sogar vollständig mit Eisen- oder Bronzeblech verkleidet, sodass eine vollständige und sichere Wagenrekonstruktion möglich ist.

Eine eingehende Studie solcher Wagenbeschläge sowie die genaue Position der Wagenteile in den Grabkammern erlauben eine Vorstellung vom Aussehen der typischen

Der Wagen besaß vier Speichenräder von etwa 70 bis 95 cm Durchmesser. Der Unterbau des Wagens, der eher als klein zu bezeichnen ist (Radabstand 1,10 bis 1,30 m, Achsenabstand 1,40 bis 1,90 m), war wohl mit einer lenkbaren Vorderachse versehen.

Achsnagelpaar mit Eulenköpfen, Bild: © Staatssammlung, Foto: S. Friedrich.

Der Wagenkasten besaß niedrige Seiten (8,5 bis 15 cm hoch) und hatte eine lang-rechteckige Form, ungefähr doppelt so lang wie breit (Länge zwischen 1,40 und 1,90 m, Breite zwischen 0,59 und 0,84 m).

Mittels eines Scharniers war die in senkrechter Richtung bewegliche Deichsel mit der Vorderachse verbunden. Am Ende der Deichsel saß das Joch für das Pferdegespann.

Aus der leichten Konstruktion sowie der geringen Größe des Kastens geht hervor, dass die Wagen nicht für die Beförderung großer Lasten konzipiert wurden. Auf dem Wagen konnten eine oder zwei Personen sitzen. Er wurde vermutlich für kürzere Reisen oder festliche Aufzüge benützt.

Ein genaueres Bild von der Gesellschaftsschicht, die zum Fahren eines solchen Wagens berechtigt war, ist nicht möglich. Weil aber die reichsten Beigaben der Westhallstattkultur immer aus Wagengräbern stammen, kann man davon ausgehen, dass das Wagenfahren wohl für die führende gesellschaftliche Elite reserviert war.

Zur Latènezeit gab es vermutlich zahlreiche Varianten im Wagenbau. Bei Diodorus Siculus (antiker griechischer Geschichtsschreiber. Er lebte in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr) .wird nicht nur beschrieben, wie der zweirädrige Wagen im Krieg benutzt wurde, sondern dass der Wagen auch fürs Reisen verwendet wurde:

»Wenn die Gallier reisen oder in den Krieg ziehen benutzen sie Streitwagen, auf denen ein Wagenlenker und ein Krieger sitzen. Wenn sie gegen Reiter kämpfen, schleudern sie den Speer gegen den Feind, steigen ab und setzen den Kampf mit dem Schwert fort.«

Darstellungen auf keltischen Münzen und auf venetischen Grabstelen geben eine besondere Bauart des Wagenkastens wieder: Hier ist der Wagenkasten hinten und vorn offen, die zwei Seiten dagegen sind in der Form von doppelten Halbbögen gestaltet.

Darstellung eines zweirädrigen Streitwagens

Bogenförmige Beschläge dieser Art sind tatsächlich aus manchen Wagengräbern, etwa im saarländischen Besseringen bei Merzig bekannt. Von bildlichen Darstellungen wird zudem deutlich, dass die Achse des Wagens am hinteren Ende des Wagenkastens befestigt wurde.

Ähnlich wie zur Hallstattzeit beträgt der Durchmesser der Räder in der Latènezeit durchschnittlich 90 cm, obwohl Werte zwischen 70 und 120 cm bekannt sind.

Der Radabstand der Wagen misst fast immer 1,3 m. Vermutlich war diese Einheitlichkeit durch die Ausbildung von tiefen Spurrinnen auf viel befahrenen Straßen verursacht: Wie die Geleise einer Eisenbahn zwangen die Spurrinnen zu einem normierten Radabstand der Latènewagen.

Form und Konstruktion der Räder sind gegenüber der Hallstattzeit wegen der selteneren Metallbeschläge weniger gut überliefert. Die Form der Radnaben vermitteln uns die nur sehr selten erhaltenen Holzräder, beispielsweise von La Tène, Bad Nauheim im Taunus oder Holme Pierrepoint. bei Nottingham in England.

Die Felgen wurden entweder aus einem einzigen Holzspan zu einem Kreis gebogen oder aus mehreren Segmenten zusammengesetzt.

Manche Wagengräber geben noch Auskunft über die Länge der Deichsel. Anhand der verschiedenen Befunde wird ersichtlich, dass die Länge der Deichsel 2 bis 3 m betrug. Das Joch ist in den Gräbern nie erhalten geblieben.

Das allmähliche Ausklingen der Wagengrabsitte in der Spätlatènezeit und das gleichzeitige Auftreten von Reitergräbern spiegeln die Verdrängung des Streitwagens durch die Kavallerie im letzten vorchristlichen Jahrhundert wider.

Während Diodorus Siculus noch den gallischen Streitwagen beschreiben konnte, zeigt das Fehlen von Streitwagen in dem von Julius Caesar beschriebenen Kriegsgeschehen, dass mindestens seit 58 v. Chr. der Krieg mit dem Streitwagen auf dem Kontinent unüblich geworden ist.

Caesar begegnete in Gallien bei den Kelten lediglich der Reiterei und der Infanterie. Nach der Beschreibung Caesars wird deutlich, dass Krieg mit dem Streitwagen lediglich auf den Britischen Inseln weiterlebte. Hier stieß das römische Heer mit dem berühmten keltischen »essedum« und sogar mit dem gefürchteten »covinnus«, dessen Räder mit geschweiften, sichelartigen Messern bewaffnet waren, zusammen.    


Quelle: »Keltische Wagen und ihre Vorläufer« von Markus Egg und Christopher Pare; www.celtica.ru; wikipedia.org